Ist Kamala Harris Trumps Ende?

Joe Bidens Rückzug wirkt wie eine Befreiung

Wer Donald Trump nicht nur für ein Problem für die USA, sondern in seiner politischen Wirkung für eine Gefahr auch für Europa, ja für die gesamte Welt hält, dürfte erst einmal aufatmen. Angesichts der peinlichen und schon mitleiderregenden „Performance“ des Amtsinhabers, der zur leichten Beute des Pöblers zu werden drohte, wirkt Bidens späte Einsicht, auf eine weitere Kandidatur zu verzichten, wie ein Geschenk des Himmels in letzter Minute.

Trumps Lieblingsgegner schien seine sichere Bank für einen Sieg zu sein, denn den alten Mann vor sich herzutreiben, das war für ihn genau das Spiel, das er allein beherrscht. Pöbeln, beleidigen und auf einen Hilflosen herumtreten, dessen physische Unfähigkeit für eine weitere Amtszeit unübersehbar geworden ist, das was ganz nach Trumps Geschmack und seiner Anhänger. Dass Biden dem Amt nicht mehr gewachsen ist, bedurfte nicht einmal mehr eines politisch-inhaltlichen Arguments.

Kein Wunder, dass nach der gerade vollzogenen „Krönungsmesse“ auf dem Parteitag der Republikaner, des von der „göttlichen Vorsehung“ nach dem widerwärtigen Attentat geretteten Heilsbringers, die zur Sekte degenerierte Partei der Republikaner vor Wut schäumt. Denn ihre kurzfristige Offensive, die einem Selbstläufer gleichkam, wirkt wie ausgebremst, weil ihnen ihre simpel gestrickte Wahlkampfstrategie abhandengekommen ist. Der alte Mann, der „weg muss“, ist nicht mehr „Joe“, es ist Trump selbst.

Immer klarer zeichnete sich für die Demokratische Partei ab, dass der einstige Hoffnungsträger Biden zum zentralen Problem wird. Die Umfragen signalisierten immer deutlicher, dass Bidens Altersschwächen Trumps stärkstes „Argument“ werden, dem weder Biden noch die Demokraten als Partei politisch etwas entgegensetzen können, weil es um politische Inhalte auch für weite Teile der umkämpften Wählerschaften nicht mehr geht. In den für die Wahl entscheidenden „Swing-Staaten“, die nicht eindeutig einer der beiden Parteien zugeordnet werden können, zeichnete sich für Biden ein Debakel und für Trump ein fast sicherer Triumph ab.

Diese unheilvolle, aber durchaus absehbare Konstellation war offensichtlich der Grund, warum auch das mächtige Parteiestablishment der Demokraten Biden fallen ließ und zum Verzicht drängte. Dass nach dem Parteitagszirkus der Republikaner Bidens Rückzug wie ein gewiefter Schachzug wirkt, der die Stimmungslage verkehrt, war wohl kaum einkalkuliert. Aber der Effekt ist deutlich. Nun kommt aber alles darauf an, ob es den Demokraten auch gelingt, die von Joe Biden vorgeschlagene bisherige Vizepräsidentin Kamala Harris zu ihrer neuen Kandidatin zu machen.

Nach der augenblicklichen Lage gibt es wenig Gründe, daran zu zweifeln. Zeitdruck und Sachzwänge der Wahlkampagne sprechen für einen schnellen und reibungslosen Wechsel, zudem gravierende inhaltliche politische Veränderungen durch den Personenwechsel nicht zu erwarten sind. Harris wird Bidens „Erfolgsprogramm“ der letzten drei Jahre weiterführen und erhält dafür bislang Zuspruch aus allen Lagern der Demokraten über das ohnehin einigende Band, Trump zu verhindern, hinaus. Aber Harris ist die kaum umstrittene Nachfolgerin Bidens primär aus der Situation heraus und nicht, weil sie die „Kandidatin der Herzen“ der Demokraten ist. Sie ist die Frau der Stunde, auch deshalb, weil alles andere nicht realisierbar scheint. Die Fehler und der Anteil der Parteiführung an dieser desaströsen Situation werden zwar wohl vorerst unter den Teppich gekehrt, würden der Partei aber ganz guttun, das einmal selbstkritisch aufzuarbeiten.

Mit Kamala Harris als Kandidatin für das Präsidentenamt sind Trump und die Republikaner anscheinend kalt erwischt worden. Die Wahlkarten werden nun neu gemischt und die Chancen, dass sie die erste und zudem farbige Präsidentin wird, stehen nicht schlecht. Aber gewonnen hat sie noch lange nicht, denn es geht in dem völlig idiotischen Wahlsystem in den USA nicht um die Mehrheit der Gesamtwählerschaft, sondern eigentlich nur um eine Handvoll Bundesstaaten, deren Wahlausgang nicht im Voraus feststeht. Und hier in den sogenannten „Sorgenstaaten“ entscheidet sich, ob Harris politische Angebote glaubhaft servieren kann, die den Pöbler ausbremsen. Dafür gibt es momentan zwar bei dem Demokraten Rückenwind, die eingeschlichene Resignation kann ins Gegenteil umschlagen, aber ob es dann reicht, ist nicht entschieden.


Die Bedeutung der US-Wahl für Europa und Deutschland

Was bedeutet das für Europa, für die Welt? Kamala Harris wird die Unterstützung der Ukraine nicht kappen. Sie wird auch den Klimaschutz nicht beseitigen wie Trump. Aber auch sie wird den Europäern mehr „Verantwortung“ in der transatlantischen Partnerschaft abverlangen. Das heißt zuvörderst, die Beiträge zur militärischen Seite der Sicherheit werden steigen und politisch wird China im Verbund mit Putins Russland als globaler Gegenspieler ins Visier genommen. All das wäre auch bei Trump in veränderter Form gekommen. Aber nicht unter der Devise „America first“, die es den Verbündeten und Partnern neben zu erwartenden Rüpeleien erschwert hätte, ihm aus transatlantischer Notwendigkeit Folge zu leisten. Das wird unter Harris unter einer mit „westlichen Werten“ veredelten Programmatik als neuer großer Konflikt zwischen der „freien Welt“ der Demokratien und Menschenrechte gegen die „autoritären Regime“ zur großen globalen Auseinandersetzung werden.

Es wäre ein netteres Amerika als das eines Donald Trump, dessen wahren Absichten gerade außenpolitisch immer noch tief im Dunkeln liegen. Was seine vermeintlichen Chefberater verlauten lassen, ist nicht unbedingt sein Programm. Die Vergangenheit lehrt, dass entscheidend ist, ob sie ihm ergeben sind. Wofür, das ist allein Trump bekannt. Da ist Kamala Harris sicherlich transparenter und berechenbarer. Das hätte sicherlich Vorteile, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass Europa und auch Deutschland sich darüber klar werden müssen, welche Rolle sie künftig in welcher Welt spielen wollen.

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