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Folgen einer katastrophalen Privatisierung

NDR berichtet über skandalöse Misstände am AMEOS Klinikum: LKH wie OWG erinnern bis heute an Konsequenzen neoliberaler Privatisierungsideologie

Nie darf vergessen werden, dass die damalige CDU-FDP-Landesregierung das frühere Osnabrücker Landeskrankenhaus (LKH) im Jahre 2007 ohne jede Not an einen privaten Betreiber, der vor allem Gewinne mit der Einrichtung erzielen wollte, übergeben hat. Dies geschah seinerzeit, obwohl das LKH ohne finanzielle Probleme arbeitete und schwarze Zahlen schrieb. Spätestens nach Aufdeckung jüngster Missstände scheinen sich alle Befürchtungen endgültig zu bestätigen. Zugleich werden in Osnabrück Erinerungen an die bereits vor dem LKH getätigte Privatisierung der städtischen Wohnungsbaugesellschaft OWG wach.

„Menschenunwürdige Zustände im AMEOS Klinikum Osnabrück sofort abstellen!“, zeigt sich jetzt in einer gemeinsamen Presseerklärung mit dem SPD-MdL Frank Henning sogar die CDU-Landtagsabgeordnete Verena Kämmerling empört. Beide Abgeordnete erklärten, ab sofort aus dem Beirat des AMEOS Klinikums zurückzutreten.

Erinert werden muss dazu an die Vorgeschichte: Die niedersächsische CDU-FDP-Landesregierung unter Christian Wulff (CDU) hatte bereits 2005 – gegen harten Widerstand von Gewerkschaften, SPD und Grünen, eine Privatisierung der zehn Landeskliniken angestrebt und dies, wie alle Privatisierungen, als „Verschlankung“ öffentlichen Eigentums angepriesen. Auf der Verkaufsliste hatte sich seinerzeit auch das Landeskrankenhaus Osnabrück befunden. Aus einem umstrittenen Bieterverfahren war damals der AMEOS-Konzern als Sieger hervorgegangen. Unter anderem hatte seinerzeit auch das Bistum Osnabrück auf die Übernahme der Klinik mitgeboten, das sich zumindest christlich-sozialen Grundwerten verpflichtet gesehen hätte. Später hatte der Landesrechnungshof das Verfahren gerügt, weil das LKH offenkundig völlig unter Wert abgegeben wurde. Rückgängig gemacht wurde die Privatisierung, die vor allem dem finanziellen Wohlergehen von Management und Aktionären dienen sollte, jedoch nie.

Parallelfall OWG

Als das LKH verscherbelt und an einen privaten Träger verkauft wurde, der damit vor allem Rendite machen wollte, war ein andere skandalöse Privatisierung den Osnabrückerinnen und Osnabrückern noch sehr gut in Erinnerung: der Verkauf der Osnabrücker Wohnungsbaugesellschaft (OWG). Das kommunale Unternehmen hatte über die stolze Zahl von 3750 Wohnungen verfügt, in denen rund 10.000 Menschen lebten. 2002 wurden die Wohnstätten auf Initiative der CDU-FDP-Ratsmehrheit zu einem Schnäppchen von nur 26 Millionen Euro verkauft. Der Widerstand von Betroffenen sowie der damaligen Ratsopposition von SPD und Grünen besaß keine Chance.

Der größte Teil der Einnahmen wanderte damals in umfangreiche Sanierungen von Ratsgymnasium und Carolinum. Für jene hatten die jeweiligen Elternvertretungen schon lange bei CDU und FDP auf der Matte gestanden. Über den Umweg einer Übernahme der landeseigenen „Nileg“ wanderten die vormaligen OWG-Wohnungen schließlich anno 2005 in das Eigentum der börsenorientierten Gagfah, heute Vonovia. Weniger Mieterschutz, ständige Mieterhöhungen und fehlende Serviceleistungen bei Reparaturen waren die unweigerliche Konsequenz. Kurzum: Auch diese Privatisierung öffentlichen Eigentums kam aus dem gleichen Waffenarsenal der neoliberalen Ideologie, von der nur die profitieren, die sich damit die Taschen vollstopfen.


AMEOS-Pflaster halfen nicht

Die AMEOS Gruppe hat, um Vorwürfen wegen reiner Profitorientierung entgegenzutreten, an ihren unterschiedlichen Standorten Beiräte eingerichtet, die, so die damalige Zielsetzung, eigentlich die Vernetzung mit der örtlichen Politik und Verwaltung gewährleisten sollten. Bereits seit einem Jahr stehen aber schwere Vorwürfe gegen das AMEOS Klinikum Osnabrück im Raum. Insbesondere in der Gerontopsychiatrie sollen teilweise menschenunwürdige Zustände geherrscht haben. Der NDR hatte jüngst berichtet, dass psychisch kranke Patienten unterversorgt und vernachlässigt werden. Über diese Vorwürfe wurden die Mitglieder des Beirates offensichtlich weder informiert, noch wurden Lösungswege aufgezeigt.

Dazu Frank Henning MdL: „In meinem damaligen Kennenlerngespräch mit der Krankenhausleitung waren etwaige Missstände im AMEOS Klinikum überhaupt kein Thema. Vielmehr wurde großartig dargestellt, welche Modernisierungsmaßnahmen für den Standort geplant sind. Ich bin über die jetzt öffentlich gewordenen Zustände entsetzt. Es ist gut, dass sich unser SPD-Landesgesundheitsminister Dr. Andreas Philippi jetzt persönlich der Sache annehmen wird.“

Bereits vor der öffentlichen Rücktrittsankündigung von Henning und Kämmerling hatten sich die beiden Grünen-MdL Volker Bajus (Osnabrück) und Nicolas Breer (Emsland) zu Wort gemeldet. „Wir sind entsetzt. Dass in einem Krankenhaus so mit Menschen umgegangen wird, ist unerträglich. AMEOS muss die Vorfälle aufklären und umgehend alle Missstände beseitigen“, fordern Breer und Bajus. „Wir haben die Vorgänge bei AMEOS schon seit längerem im Blick“, so Breer, der auch Mitglied des Psychatrieausschuss des Landes ist.

„Die Vorwürfe wiegen schwer und sind glaubwürdig. Es ist gut, dass das Land AMEOS genau auf die Finger schaut und sich auch der Minister kümmert“, erklärt Breer.Es sei leider nicht das erste Mal, dass solche Vorwürfe bekannt werden.

„Seit dem Verkauf des Landeskrankenhauses durch die damalige CDU-Landesregierung unter Ministerpräsident Wullf an den AMEOS-Konzern gibt es immer wieder Hinweise auf Vernachlässigung. Auch in Tarifverhandlungen hat sich der Konzern immer kompromisslos gezeigt und damit den Unmut der Mitarbeitenden auf sich gezogen“, kritisiert der Osnabrücker Volker Bajus.


Verpuffte Versuche einer Schadensbegrenzung

Verena Kämmerling erinnerte an eine persönliche Initiative im Landtag: „Ende des Jahres 2023 hatte ich gemeinsam mit meinem Kollegen Thomas Uhlen MdL eine Kleine Anfrage zu den Zuständen im AMEOS Klinikum Osnabrück an die Landesregierung gerichtet. Als die Antwort öffentlich wurde, haben der damalige Krankenhausdirektor und der Regionalgeschäftsführer nicht den Beirat informiert, sondern vielmehr versucht, Druck auf uns auszuüben und zu beschwichtigen. In Absprache mit Thomas Uhlen MdL, der Mitglied des Landespsychiatrieausschusses ist, haben wir das Thema weiterverfolgt. Inzwischen war Thomas Uhlen mit der Besuchskommission des Landes vor Ort. Leider haben sich viele der Vorwürfe bestätigt. Die seitdem ergriffenen Verbesserungsmaßnahmen sind bei weitem nicht ausreichend. Über all dies wurde der Beirat ebenfalls in keinster Weise informiert.“

Ganz offenkundig widerspricht die aktuelle Behandlung von Patient*innen ohnehin massiv den Richtlinien, die zu befolgen wären. „Mit der sogenannten ‚Richtlinie über die Ausstattung der stationären Einrichtungen der Psychiatrie und Psychosomatik (PPP-RL)‘ sind Standards für die Versorgung definiert. Die müssen auch hier ’scharf‘ gestellt und durchgesetzt werden, um das Personal zu entlasten und den Patienten eine gute Versorgung zu gewährleisten.“ erklärte dazu der Güne Nicolaus Breer.

Für Henning und Kämmerling folgert aus dem Konzern-Verhalten eine wichtige Konsequenz. Sie treten aus dem Beirat aus: „Wir sind nicht bereit, weiterhin Mitglieder des Beirates des AMEOS Klinikum Osnabrück zu sein und durch unsere Mitgliedschaft eine menschenunwürdige Unterbringung psychisch kranker Patientinnen und Patienten indirekt zu dulden. Wir treten deshalb mit sofortiger Wirkung aus dem Beirat zurück und fordern das AMEOS Klinikum dazu auf, die Missstände unverzüglich abzustellen. Gelingt dies nicht, muss auch über eine Kündigung der Zusammenarbeit seitens des Landes Niedersachsen nachgedacht werden“, erklärten Kämmerling und Henning abschließend.

Unklar bleibt, ob das Klinikum künftig endlich wieder eine Einrichtung der öffentlichen Hand werden kann, um das Wohl von Mitarbeitenden wie Patient*innen endlich wieder zu sichern und jeglichem Profitstreben zu entziehen.

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