Was will uns Elon Musk eigentlich sagen?
Das neue Jahr beginnt mit einem publizistischen Aufreger. Noch dümpelt der Bundestagswahlkampf vor sich hin, da übernimmt ein Zeitungsartikel die Meinungsführerschaft gleich in mehrfacher Hinsicht.
Der momentan reichste Mensch der Welt macht dank des Wahlsiegs von Donald Trump nicht nur in den USA von sich reden. Er wird Trumps Sonderbeauftragter für die Neuordnung des Regierungshandelns, damit dürfte die Realisierung des „Bürokratieabbaus“ gemeint sein, also der gezielte Rückzug von Staat und Politik aus dem Wirtschaftsleben. Der Tech-Unternehmer Elon Musk hat Trumps Wahlkampf nicht nur maßgeblich mitfinanziert, er mischt sich über seine Plattform X munter in alle weltweiten öffentlichen Angelegenheiten ein.
Nun darf sich auch Deutschland seines besonderen Interesses erfreuen. Zum Jahreswechsel erhielt er im „intellektuellen Flaggschiff“ des Axel-Springer-Konzerns, der Welt am Sonntag (WamS), ein Forum für seine Wahlwerbung für die AfD bei den Bundestagswahlen am 23. Februar. Was er auf Plattform X schon verlauten ließ, durfte er hier öffentlich begründen.
Ersparen wir uns die Debatte, ob das ein Eingriff von außen in die inneren Angelegenheiten Deutschlands ist und Wahlkampfhilfe einer auswärtigen Macht darstellt (wenngleich die Doppelrolle von Musk als Unternehmer und seine nicht unbedeutende Einbettung in die künftige Trump-Administration schon etwas pikant ist) oder es sich hier um eine ganz normale Wahrnehmung der Meinungsfreiheit handelt. Die steht natürlich auch einem Hyperreichen zu, der sich um sein Investment in Deutschland sorgt. Und kommt die WamS nicht sogar einer mutigen journalistischen Tugend nach, wenn der Meinung des Milliardärs ganz liberal und fair durch den gerade ins Amt getretenen neuen Chefredakteur in der Schlussfolgerung Musks, nur die AfD könne Deutschland noch retten, widersprochen wird? Das jedenfalls befand der Chefredakteur der hiesigen regionalen Monopolzeitung NOZ.
Die Botschaft des Elon Musk
Gehen wir von der Form zum Inhalt und widmen uns der Begründung des reichsten Mannes der Erde für seine Wahlempfehlung. Sein Interesse und sein Recht dazu begründet er mit seinem umfangreichen Investment in Deutschland. Und das verschafft ihm offensichtlich tiefe Einblicke in Deutschlands Zustand. „Deutschland steht an einem kritischen Punkt – seine Zukunft taumelt am Rande des wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenbruchs.“ Das ist der Eröffnungssatz. Eine vielleicht etwas kühne These. Zusammenbruch! Und das nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell. Das ist genau das, was die AfD an Ängsten in den Wahlkampf drischt und als apokalyptische Grundstimmung um sich greift. Aber diese Tendenz wird auch von einer informellen Allianz bespielt, die sich mit Nuancen auch bei den Unionsparteien, bei der ampelbefreiten FDP und dem BSW findet.
Interessant daran ist aber, dass Musk nicht nur das sattsam bekannte Credo der neoliberalen Wirtschaftsdiagnose und -therapie herunterbetet. Natürlich kommt die Klage über die „Bürokratie“ und das sei das Gegenteil dessen, was seine Unternehmen Tesla und Space X erfolgreich gemacht habe. Abbau dieser Überregulierungen, die bezeichnenderweise wie fast in allen anderen Texten nirgends genauer spezifiziert werden (sind es Umweltauflagen, Arbeitsmarktregulierungen oder Sicherheitsauflagen, die stören?), sondern in Gänze abgeschafft gehören, damit wieder ein „Umfeld für Wachstum geschaffen“ werde, in dem „Unternehmen ohne staatliche Eingriffe gedeihen“ können. Und für diese Entfesselung der unternehmerischen Freiheiten stehe die AfD wie keine andere Partei in Deutschland. (Wie die selbst ernannte „Arbeiterpartei“ mit diesem Lob umgeht, ist klar. Wachstum ist alles, auch und vor allem für die Arbeiter, deren Arbeitsplätze durch die „grüne Deindustrialisierung“ bedroht sind.)
Dass zur Rettung Deutschlands auch die Rückkehr zur Atomkraft als dauerhafte Sicherung der Energieversorgung ebenso gehört wie die fossilen Energien als Kostensenker, macht Musk ergänzend deutlich. Alle anderen Parteien hätten versagt, sie seien verantwortlich für die „wirtschaftliche Stagnation, soziale Unruhen und eine Aushöhlung der nationalen Identität.“ Letzteres hat es ihm besonders angetan. Der „Erhalt der deutschen Kultur“ und die „nationale Identität“ dürfe „nicht im Streben nach Globalisierung“ verloren gehen. „Eine Nation muss ihre Grundwerte und ihr kulturelles Erbe bewahren, um stark und geeint zu bleiben.“ Dieses könne ebenfalls nur die AfD leisten, und das rechtsextreme Label, das man ihr anhänge, widerlegt er mit Verweis auf Alice Weidels „gleichgeschlechtliche Partnerin aus Sri Lanka“, was ja „nicht nach Hitler klingt“.
Natürlich hat der Erhalt der deutschen Identität auch etwas mit Migration zu tun. In den USA hat sich die republikanische Partei da schon eine Debatte eingefangen, ob die von Musk dringend gewünschten hochintelligenten Inder fürs amerikanische Wirtschaftswachstum unabdingbar sind oder ob die indischen Einwanderer durch „Amerikaner first“ ersetzt werden sollen. Könnte es sein, dass das mächtigste Land der Erde nicht über genügend eigene Intelligenz verfügt, um seine Führungsrolle in der innovativen Technologie mit eigenem Nachwuchs zu halten? Oder ist das amerikanische Bildungssystem so desaströs, dass man auf Importe angewiesen ist, also wie ein Schwamm alles Intelligente weltweit aufsaugt und mit lukrativer Ausstattung ins gelobte Land holt? Für Deutschland fordert Musk wie die AfD lediglich eine Bildungsreform, die „kritisches Denken anstelle von Indoktrination“ fördert. Was das heißt, bleibt vorerst ein Geheimnis.
Was lehrt uns der Beitrag von Musk?
Da sich ein gescheiterter Finanzminister und Vorsitzender einer ums Überleben kämpfenden Partei bei seinem Abgang dafür ausgesprochen hat, man solle doch mehr „Musk und Milei wagen“, darf man gespannt sein, wie er die Daseinsansprüche seiner FDP bei dieser Empfehlung einer für ihn höchsten Autorität, doch das Original statt eine Kopie zu wählen, noch geltend macht.
Betrachtet man die Einmischung von Musk nicht als nationalen Übergriff, sondern als eine kalkulierte politisch-strategische Ansage, dann steckt da erheblicher Sprengstoff drin. Seine Intervention ist Teil einer global angelegten Strategie, die als eine andere Art von Zeitenwende interpretierbar ist. Gefordert wird eine grundlegende politische Wende und internationale Kooperation der Rechten, die Abschied nimmt von der alten, sich liberal dünkenden Weltordnung. Wenn China uns lehrte, Kapitalismus funktioniere auch ohne Demokratie, dann kommt für Musk und Co. nun hinzu, dass die liberale Demokratie für die Entfaltung des künftigen Kapitalismus der Weltoligarchen eine Störgröße geworden ist, der man sich so weit wie möglich entledigen muss. Der Kampf gegen den Klimawandel ist eine wesentliche Bremse eines ungehinderten Wachstums der Wirtschaft und die liberale Demokratie ist der politische Hebel für die ökologischen Wachstumsfeinde. Alle rechten Autokraten und Rechtspopulisten haben zwei zentrale Themen: Die Migration und den Klimaschutz und beiden muss Einhalt geboten oder gar ein Ende bereitet werden. Musk hat sie mit den herausragenden Themen der „nationalen Identität“ und dem flächendeckenden Verweis auf die Wachstumsbremse „Bürokratie“ entsprechend gewürdigt. Für die neuen Herausforderungen eines entfesselten „Kapitalismus ohne Demokratie“ sind die Altparteien des Liberalismus und der konservativen Mitte nicht mehr hilfreich. Die neuen Rechtsparteien sind ihre Erben und das ist die deutliche Message von Elon Musk, die es der WamS wert waren, veröffentlicht zu werden.
Der Technologievisionär hat auch eine politische Vision, die man nicht unterschätzen sollte, denn sie wird ihre Konturen mit Trump an der Spitze schon bald deutlicher zeigen. Was wir mal für erreicht oder gar normal hielten, das steht angesichts eines großen Rollbacks alles zur Debatte. Dieser Bundestagswahlkampf liefert die Munition für das von Musk genutzte Untergangsgemälde. Eine so tiefe Krise, da helfen jene Altparteien, die das Gemälde mit gemalt haben, nicht mehr, da ist viel mehr Veränderung erforderlich. Diese Rhetorik ist die Falle, in die alle hineinlaufen.
Zur Klarheit: Die deutsche Wirtschaft schwächelt in ihren Wachstumsraten, die Automobilindustrie steckt in einer (selbst mit verantworteten) Krise, die sich mit den üblichen Verdächtigen wie Bürokratie etc. nicht auf den Begriff bringen lässt. Aber sie macht die Nachteile einer Abhängigkeit von einer Branche im Besonderen und vom Weltmarkt im Allgemeinen deutlich. Hier sind wegweisende strategische Ausrichtungen erforderlich, die nicht mit Anpassungen an Gegebenheiten zu erfüllen sind, weil das, was sich in der gesamten ökonomischen Umwelt ändert, noch im Werden ist und von wichtigen Akteuren abhängt, die wie Musk signalisiert, Vorstellungen verfolgen, die nicht unbedingt die unsrigen sind.
Dieses Spiel mit vielen Unbekannten ist schon für einen Wahlkampf an sich eine große Herausforderung, erschwerend kommt hinzu, dass die tendenziell apokalyptischen Zustandsbeschreibungen sich zusätzlich rächen, weil sie im umkehrten Verhältnis zu den strategischen Antworten in den Wahlprogrammen und der künftigen Lösungskompetenz nachfolgender Regierungen stehen. Wer davon profitiert, dürfte klar sein.