Fragen an den SPD-Bundestagskandidaten Thomas Vaupel
Thomas Vaupel, Alt-Osnabrücker mit enger Verwandtschaft im Raum Osnabrück und aktueller beruflicher Station in Berlin, möchte Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Osnabrück werden. Auf der SPD-Delegiertenkonferenz des Wahlkreises erhielt er sagenhafte 100% der abgegebenen Stimmen. Anlass genug, Thomas der OR-Leserschaft eingehender vorzustellen.
OR: Lieber Thomas Vaupel, bevor wir unser Gespräch beginnen, starten wir für unsere Leserinnen und Leser doch mal zunächst mit dir als Mensch, als einer von uns sozusagen. Wer bist du und was machst du?
Gern. Ich mach das zum Einstieg mal steckbriefartig kurz und bündig: Ich bin Thomas Vaupel, 44 Jahre jung, glücklich verheiratet und habe mittlerweile vier Töchter. Seit knapp 20 Jahren bin ich Mitglied der SPD. Studiert habe ich Politik und Öffentliches Recht. Derzeit arbeite ich bei der SPD-Bundestagsfraktion als koordinierender Referent für die Bereiche Haushalt, Finanzen und Europa.
Zudem vertrete ich die SPD in der europäischen Sozialdemokratie, der Sozialdemokratischen Partei Europas, dort bin ich stellvertretender Generalsekretär. Gerade in Zeiten des Rechtsrucks in Europa ist das eine Aufgabe, die mir als durch und durch überzeugtem Europäer sehr am Herzen liegt.
OR: Dann haben wir in Osnabrück also das Glück, neben dem einzigen Osnabrücker Europaabgeordneten Tiemo Wölken noch einen zweiten Vertreter zu haben, der in Brüssel gut vernetzt ist?
Durchaus. Mit Tiemo arbeite ich ja auch schon jetzt viel zusammen. Das klappt wirklich gut. Sollte ich gewählt werden, werde ich das natürlich noch vertiefen – auch um Osnabrücker Themen gemeinsam voranzubringen. Und genau das ist es ja auch, was mich jetzt zu der Bundestagskandidatur für Osnabrück motiviert: Eben die Erfahrungen und Kontakte, die ich in Berlin und Brüssel gesammelt hab, jetzt für meine Heimat in die Waagschale zu werfen!
OR: Du hast bereits in deiner Vorstellungsrede vor deiner Wahl zum SPD-Kandidaten darauf hingewiesen, dass dich ganz viel mit Osnabrück und dem Osnabrücker Umland verbindet, auch wenn du derzeit in Berlin arbeitest. Wie überzeugst du die Leute davon, dass du „einer aus Osnabrück“ und nicht „einer aus Berlin“ bist?
Da würde ich den Spieß gern umdrehen. Das Gegenteil ist nämlich richtig. Ich möchte in Berlin und andernorts, natürlich auch ganz erheblich im Wahlkreis selbst, etwas für meine Heimat tun. Und meine Heimat ist und bleibt Osnabrück! Hier bin ich geboren, in Wissingen aufgewachsen, habe später am Rats mein Abitur gemacht, dann beim Paritätischen Wohlfahrtsverband meinen Zivildienst absolviert, habe in Osnabrück geheiratet und bin bis heute engstens mit meiner Heimat verbunden – über meine Eltern und Schwiegereltern, die in Wissingen und Hellern wohnen, über meine Osnabrücker Freunde oder über mein Hobby Tischtennis, das ich seit knapp 40 Jahren in Osnabrück und Umgebung mit Leidenschaft betreibe.
Also ich würde sagen das passt schon alles ganz gut mit meiner Kandidatur zusammen.
OR: Kannst du das auch an weiteren Stichworten deutlich machen? Wie dicht bis du an dem dran, was hier im Osnabrücker Raum los ist.
Bei uns im Familienkreis mit den Eltern und Schwiegereltern sind Osnabrücker Themen immer mit dabei: die lange Geschichte der Neumarkt Sanierung, die kaum weniger lange Geschichte der A33 zwischen Belm und Wallenhorst, wo wir auch Verwandte haben, die diversen Dramen rund um den VFL-Osnabrück, aber auch die Sicherheitssituation gerade in der Johannisstraße, das Thema bezahlbares Wohnen, was ja auch in Osnabrück für viele gerade jüngere Menschen herausfordernder geworden ist, vieles andere mehr.
Und natürlich spricht man auch in Berlin und Brüssel immer mal wieder über die Themen, die auch für Osnabrück und Umgebung wichtig sind: zum Beispiel wie wir wettbewerbsfähige Energiepreise sicherstellen können.
Ein wichtiges Thema für VW im Fledder, KME an der Gartlage, Schöller in Gretesch-Lüstringen, für das Stahlwerk in GMHütte ebenso wie die vielen mittelständischen Betriebe bei uns in der Region. Da habe ich mich in der Bundestagsfraktion intensiv mit beschäftigt. Und würde das als Abgeordneter natürlich jetzt gern weiter vorantreiben. Die Strompreise müssen verlässlich und deutlich runter – das ist für unseren Wirtschafts- und Industriestandort Osnabrück elementar.
OR: Was sind weitere für Osnabrück relevante Themen, die dich zuletzt bewegt haben?
Ohne Zweifel ist da an erster Stelle der VW-Standort zu nennen. Das waren vor Weihnachten schon ziemlich ungewisse Zeiten für die Beschäftigten im Fledder. Ich bin froh, dass betriebsbedingte Kündigungen vom Tisch sind. Das ist ein wichtiger Verhandlungserfolg der IG Metall und auch von unserem Ministerpräsidenten Stephan Weil. Aber wir müssen da jetzt am Ball bleiben, gemeinsam mit aller Kraft, damit der VW-Vorstand die zugesagte Zukunftsperspektive für den Standort auch über 2027 hinaus sicherstellt – und daran jetzt praktisch und konkret gearbeitet wird.
OR: Nehmen wir einmal Deine fachlichen Betätigungsbereiche Haushalt und Finanzen. Das hört sich erstmal nach etwas spröder Materie an. Stimmt das? Oder was bedeuten die und ähnliche Arbeitsfelder für den Alltag der Menschen?
Ehrlich gesagt, ein Zahlenmensch bin ich nie gewesen. Das ist aber auch nicht der Kern, worum es aus meiner Sicht beim Thema Haushalt und Finanzen geht. Es geht gerade beim Haushalt letztlich darum die richtigen politischen Prioritäten zu setzen – für starke Investitionen in Bildung, Forschung, Klimaschutz, die Digitalisierung, anderes mehr. Und es geht darum, gerade die Menschen gezielt zu unterstützen, die nicht mit einem goldenen Löffel im Mund auf die Welt gekommen sind. Dafür brauchen wir besonders in diesen Zeiten des wirtschaftlichen und technologischen Umbruchs einen starken Sozialstaat, starke Weiterbildungsangebote, möglichst gebührenfreie Krippen und Kitas und allgemein starke Kommunen, die vor Ort den Menschen helfen, ihren Alltag zu bewältigen.
OR: Und das kann man auch konkret auf Osnabrück anwenden?
Na klar. Allein die großen Aufgaben Osnabrücks, denken wir an Kitas, Schulen und Hochschulen, denken wir an die großen Summen für die Bremer Brücke, für das einmalige Dreisparten-Theater, Gelder für die Sicherung der Krankenhäuser, der Stadtwerke bis hin zum Neumarkt – da geht es nicht um Peanuts, die allein mit städtischen Mitteln hinzubekommen wären. Hier werden wir in den nächsten Jahren an vielen Stellen auch darüber reden müssen, wie Gelder aus dem Bundeshaushalt mobilisiert werden können. Und das ist etwas, wo ich mich mit meinen Kenntnissen und Kontakten sehr gern einbringen will.
OR: Dann werden wir doch einmal konkret. Wie soll eine starke Stimme Osnabrücks in Berlin und auch in Brüssel wahrgenommen werden?
Mein erstes Anliegen ist die deutliche Stärkung von Zukunftsinvestitionen – in Kommune, Land, Bund und Europa. Da hat die rotgrüne Ratsmehrheit in Osnabrück ja schon gut vorgesorgt, wenn wir beispielsweise an Gründerzentren, an überregionale Stiftungen, aber auch und vor allem an gute Beziehungen zu Traditionsunternehmen denken, die hier Arbeitsplätze sichern. Aber das ist alles nicht umsonst zu haben. Wir müssen darum endlich die Finanzierungsfesseln abstreifen, wenn wir nicht wollen, dass wir unseren Kindern ein Land hinterlassen, das bei Bildung, Infrastruktur, Klimaschutz, Transformation und Digitalisierung uneinholbar hinter dem hinterherhinkt, was für eine gute Zukunft eigentlich notwendig wäre.
OR: Glaubt man der neoliberalen, von AfD über FDP bis zu Union propagierten Ideologie vom „schlanken Staat“, „Privatisierungen“, „Steuerentlastungen für Reiche“ und „Schuldenverbote“, tun sich ja wahre Welten gegenüber dem auf, was eine solidarische Gesellschaft einfordert. Wie siehst du das?
Statt Steuerentlastungen für Topverdiener und Millionäre brauchen wir vor allem weniger Steuern für kleine und mittlere Einkommen – eben für all die, die hart arbeiten, um den Laden am Laufen zu halten und vielfach noch immer mit hohem Lebenshaltungskosten zu kämpfen haben. Dass Deutschland unter den führenden Wirtschaftsnationen eines der Länder mit der größten Vermögensungleichheit ist, zeigt den Handlungsbedarf. Es ist meines Erachtens nicht zu viel verlangt, wenn sich insbesondere die Reichsten der Reichen stärker an der Finanzierung der großen Zukunftsaufgaben beteiligen würden, die wir als Land insgesamt anpacken müssen. An diese Finanzierungsfragen, die die Voraussetzung dafür sind, dass wir eine gute, zukunftsgerichtete Politik überhaupt machen können, müssen wir aus meiner Sicht dringend ran. Und zwar nicht nur auf Bundesebene, sondern eben auch in den Ländern und insbesondere auf Ebene der Kommunen, die unbedingt mehr Luft zum Atmen brauchen.
OR: Die Schuldengrenze muss also massiv derart verändert werden, dass endlich wieder Investitionen in die Zukunft möglich sind?
Danke dir für das Stichwort. Wenn ich mich international in Staaten umschaue, in denen es aktuell mit der Konjunktur besser läuft, ist wirklich kein einziger Staat darunter, der seine Wirtschaft unter einem Spardiktat entwickelt. Alle investieren in die Zukunft. Das allein in Deutschland praktizierte Modell der Schuldenbremse würgt nachfolgenden Generationen die Zukunft ab. Gegen eine Krise kann man nicht ansparen, man muss auf Zukunftsfelder wie die Verbesserung der Infrastruktur, Stichworte Bildungseinrichtungen, Verkehrswege, Forschung, aber auch auf sozialen Zusammenhalt setzen, wenn unsere Kinder in einem starken und sicheren Land leben sollen. Deshalb ist die Schuldenregel in der jetzigen Form eindeutig nicht mehr zeitgemäß. Das wird ja mittlerweile auch von den allermeisten führenden Ökonomen so gesehen und auch von den meisten CDU-Ministerpräsidenten. Nur die Herren Merz, Middelberg und Lindner hinken da noch ein wenig im Erkenntnisprozess hinterher.
OR: Bei einer solchen Position hört man bereits die reflexhaften Schreie der neoliberalen Marktanbeter und Beschneider des Sozialstaats. Teilst du unsere Ansicht, dass diese Kräfte in jüngster Zeit viel zu erfolgreich waren?
Eindeutig ja. Immer wieder, Stichwort Bürgergeld und Existenzminimum, bekommen es neoliberale Populisten hin, dass sozial Benachteiligte auf noch Ärmere schimpfen und deren Leistungen beschneiden wollen, statt auf die exakt andere Seite der Profiteure von Krisen zu schauen. Unsicherheit und Ängste haben sich bereits bis weit in die Mitte der Gesellschaft hineingefressen. Eine solche Entsolidarisierung ist Gift für den Zusammenhalt. Und als SPD müssen wir uns dem entgegenstellen – nicht den Populisten hinterherlaufen, sondern immer wieder versuchen, die Debatte zu versachlichen. Ein Beispiel: Die Zahl der Totalverweigerer unter den Bürgergeldempfängern ist äußerst gering, rund 16.000 Personen bei über 5 Millionen Empfängern insgesamt. Wenn CDU, CSU, FDP und die AfD also so tun, als müsse Bürgergeldempfängern massenweise ein vermeintliches Faulenzertum ausgetrieben werden, dann ist das schlicht und einfach faktenfreier Populismus.
OR: Dann zum Schluss nochmal positiv gefragt: Nenn doch, sagen wir mal, vier Punkte, die deine Ziele und die der Osnabrücker SPD besonders gut zusammenfassen!
Gern: erstens starke Zukunftsinvestitionen, gerade auch vor Ort in den Kommunen. Zweitens verlässliche und bezahlbare Energiepreise für Verbraucher und Betriebe. Drittens eine Politik des Respekts mit starkem Sozialstaat, guten Löhne, stabilen Renten. Und viertens eine Kultur des respektvollen Miteinanders. Ohne Respekt voreinander fliegt unsere Gesellschaft auseinander. Da sollten wir alle mithelfen, dass es dazu nicht kommt. Nicht uns gegenseitig runter machen, sondern gemeinsam stark machen – das ist der richtige Weg. Bei uns in Osnabrück und überall sonst auch.
OR: Lieber Thomas, wir danken Dir sehr für dieses sehr aufschlussreiche Gespräch.