Uralte Räume – eher junge Gastro-Tradition
Das Osnabrücker Rathaus, gebaut zwischen 1487 und 1512, in dem bis 1648 – wie in Münster – der Westfälische Frieden ausgehandelt wurde, besitzt naturgemäß auch einen gastronomischen Teil. Überraschend ist, dass dieser, als allgemein zugängliche Gastlichkeit, eigentlich erst ab 1939 besteht.
Zuvor, insbesondere in den Kaiserjahren wie in der Weimarer Zeit, als noch frei gesprochen werden konnte, war der Keller des Ratshauses eher ein kleiner Geheimtipp unter städtischen Mitarbeitern und kommunalen Funktionaträgern. Für Ratsmitglieder und Verwaltungsangehörige bildeten die Räume in jenen Jahren so etwas wie eine geheime „Ratstrinkerstube“, in der nach heftigem Meinungsaustausch bei Bier und Wein wieder mal Frieden geschlossen werden durfte.
Es war ausgerechnet das Jahr des Kriegsausbruchs am 1. September 1939, an dem der Ratskeller sich auch öffentlich mit einem gastronomischen Angebot präsentierte. Als noch nicht über Krieg und Gewalt, sondern auch über friedliche Themen debattiert worden ist, dürften sich so manche der damaligen Gespräche auch um den VfL gehandelt haben, der im ersten Halbjahr 1939 noch in der Endrunde zur Deutschen Fußballmeisterschaft mitkickte.
Als das traditionsreiche Rathaus bis 1945 bis auf die Außenfassade zerstört worden war, dauerte es nach dem Wiederaufbau 1948 noch eine geraume Zeit, bis im Keller wieder eine Gastro mit dem Namen „Ratskeller“ an den Start gehen konnte.
Trotzdem der Ratskeller lange sogar mit einer plattdeutschen Speisekarte punktete, blieb die Gastlichkeit auch nach dem Tod des ersten Pächters Willi Buller allenfalls eine unter vielen Gastro-Adressen der Stadt. Bullers Witwe Ida führte den Ratskeller noch bis weit in die Nachkriegszeit hinein fort.
Danach kam es zu häufigen Pächterwechseln und zu einer öffentlich eher glanzlosen Zeit. Ausgenommen waren natürlich jene Gäste, die anlasslich ihrer Zusammenkünfte auch mit Ratspolitik und Verwaltungsentscheidungen zu tun hatten. Auch Gäste, die im Friedenssaal des Rathauses empfangen wurden und sich in das Gästebuch der Stadt eintragen durften, testeten allzu gern das Angebot in den Kellerräumen. Traditionell dürfte die Gastro im Keller bereits damals durchaus zum Ausgangspunkt nicht weniger, vor allem stadtgeschichtlich bedeutsamer Entscheidungen gewesen sein.
Eine Art Kultstatus besitzt der Ratskeller seit Jahrzehnten ohnehin als jener Ort, in dem der Ausklang des jährlichen Osnabrücker Handgiftentages stattfindet, der in Osnabrück das „Who is who?“ zusammenführt. Manches prominente Ratsmitglied wurde seither noch in den frühen Morgenstunden unter den letzten Gästen gesichtet.
In den frühen 1990ern wurde der Ratskeller zwei Jahrzehnte beständig geführt, wofür seit 1992 vor allem der Gastronom Horst Radloff stand. Es kehrte Stabilität zurück. Ab 2013 übernahm die Berliner Restaurantkette Lutter & Wegner die Räume. Ihr Ziel war es, mit gehobener Küche und umfangreicher Weinkarte einen neuen Weg einzuschlagen. Aktuell ist mit aber neuen Machern in Küche und Ausschank seit 2016 das Motto „Augustiner im Ratskeller“ umgesetzt worden. Es soll einen bodenständigeren Weg mit bodenständigeren Preisen auf den Punkt bringen.
Die Verantwortlichenden der „ORG Osnabrücker Rats Gastronomie GmbH“ beschreiben ihr Selbstverständnis auf der eigenen Homepage so: „Als wir 2016 aus Berlin nach Osnabrück gezogen sind, hätten wir nie vermutet irgendwann einmal ein Restaurant im Herzen dieser herrlichen Stadt zu betreiben. Als uns 2021 die Möglichkeit gegeben wurde, war es auch nur ein kurzes Zögern und die Entscheidung stand fest. Der Ratskeller ist ein Ort, an den wir glauben. Den wir als Heimat sehen. Wo wir unsere Freunde treffen.“
Seit Mai 2021 dürfen sich die damals Zugereisten die neuen Pächter des Ratskellers nennen. Im „Osnabrücker Ratskeller“ wollen sie, wie sie sagen, „eine Heimat für alle schaffen. Einen Hafen zum Ankommen und auch Runterfahren. Zum Gesellig sein. Zum Genießen. Eine gute Mischung aus genussvollem Essen und genussvollem Trinken.“
Es herrscht, begleitet von bayerischem Bier und so manchen Angeboten aus der dortigen Küche, unter anderem ein regionaler Anspruch. Fest macht sich dieser unter anderem in Gestalt einer Kooperation mit dem Galloway-Hof Richter bei Fürstenau, wo Rindfleisch aus jener schottischen Spezies bezogen wird, das von frei gehaltenen Tieren stammt. Ebenfalls zu den Lieferanten gehört das Unternehmen „Pistole“ aus Badbergen, das damit wirbt, für bewussten Umgang mit den Produkten der Natur zu sorgen und vor allem Schnaps und Fisch auf die Tische bringen. Und das Bier? Neben dem Augustiner aus München sind abwechselnd Biere aus der Region Franken unter dem Zapfhahn erhältlich. Zusätzliche Sorten stammen aus bayerischen Kleinstbrauereien und sind im Getränkehandel in Osnabrück nicht erhältlich.
Was auf jeden Fall, unabhängig von aktuellen wie künftigen Betreibern den besonderen Reiz des Gastro-Standortes auch nachhaltig ausmachen dürfte, ist das historische Ambiente. Somit bleibt der Ratskeller eine über Osnabrück und Niedersachsen hinaus bekannte Institution – und damit ein wichtiger Anziehungspunkt von in- und ausländischen Gästen.