Ist eine Privatisierung tatsächlich effizienter?
Unmittelbare Erfahrungen sollte man zwar nicht verabsolutieren, aber zuweilen öffnen sie als Ärgernis den Blick dafür, was nur noch nervt. In diesem Fall geht es um die Erkenntnis, was von solchen Latrinenparolen vorzüglich liberaler Politiker und ihren privatwirtschaftlichen Interessenten zu halten ist, die uns damit beschallen, dass „privat“ „effektiver und effizienter“ als „öffentlich“ bzw. „staatlich“ ist.
Unmittelbare eigene Erfahrung lehrt zuweilen das genaue Gegenteil. Als belegbares Beispiel nehme ich die „Deutsche Bundespost“. Sie war als Staatsbetrieb einmal der Inbegriff der Verlässlichkeit. Man bekam täglich seine Post, zwar durch einen damals noch verbeamteten Briefträger, aber dafür war von Gesetzes wegen garantiert, dass man seine Post täglich erhielt. Betriebswirten war diese Einrichtung offensichtlich ein Graus, aber vor allem wohl privaten Investoren, die dieses Staatsmonopol in den 1990er Jahren im Verbund mit anderen wie der „Deutschen Bahn“ in den Wettbewerb schickten und zu diesem Zweck schließlich zerschlugen und privatisierten.
Von der Post als privates Dienstleistungsunternehmen lernt man als Kunde der Post zuallererst, dass Dienstleistungen nichts mit Dienst am Kunden gemein haben. Eigentlich wäre es das Beste, man würde das ganze Unternehmen in einen Selbstbedienungsladen umwandeln, wo sich jeder an einem bestimmten Ort seine Post selber abholt. Das hätte den Vorteil, dass man seine Post überhaupt bekäme.
Um Beweise beizubringen kann ich belegen, drei Werktage nacheinander keine Post bekommen zu haben. Belegbar dadurch, dass die altertümliche Lieferung einer abonnierten überregionalen Tageszeitung unterstützt von einer Wochenzeitschrift einfach ausbleibt. Zwei Tage kommt häufiger vor, drei Tage seltener. Aber über dieses eigentliche Ärgernis hinaus gibt es noch Zugaben, die eine besondere Würdigung verdienen.
Nennen wir es mal das imposante „Beschwerdemanagement“ dieses Riesenunternehmens. In modernen Organisationslehren ist es in der „modernen Dienstleistungsgesellschaft“ eigentlich das Schmuckstück guten Managements. Bei der Deutschen Bundespost muss man es erst einmal suchen und finden. Keine jener Postannahmestellen, die den Begriff Filiale nicht mehr verdienen, sind für Beschwerden, dass Briefe etc. nicht geliefert werden, natürlich nicht zuständig. Interessant ist aber, dass einem niemand sagen kann, wo man einen für die Nichtzustellung von Briefen etc. Verantwortlichen oder Zuständigen kontaktieren könnte.
Das ist auch kein Wunder. Denn vor Ort gibt es niemanden, selbst eine Fahrt zu der örtlichen Auslieferungsstelle ist reine Zeitverschwendung. Dort gibt es weder eine offene Tür noch eine Möglichkeit, die liegengebliebene Post selber abzuholen oder auch nur eine Auskunft einzuholen, ob bzw. wann die Auslieferung denn zu erwarten ist. Trifft man zufällig auf dem riesigen Parkplatz einen Mitarbeiter und trägt das offensichtlich nicht ganz unbekannte Anliegen vor, folgt Schulterzucken und der alles erklärende Hinweis: Personalnot und Krankenstand. Wo man sich denn beschweren und um Auskunft bitten könnte? Keine Ahnung, aber hier nicht!
Per Internetrecherche kann man an eine zentrale Stelle kommen. Ein zentraler Call-Center, nette Leute, die Beschwerde wird aufgenommen und weitergeleitet, erklärend erfolgt der Hinweis, die tägliche Zustellungspflicht sei gesetzlich aufgehoben. Ein paar Tage Geduld sei sicherlich ärgerlich, aber einen Anspruch auf tägliche Lieferung gäbe es nicht mehr und somit müsse man in der Versicherung, mehrere postfreie Tage seien eher nicht die Regel, damit leben. Dass sich solche Extreme aus eigener Erfahrung wie beim Wetter häufen, heißt hier aber nicht, dass das Klima bzw. die Post an sich nicht in Ordnung sei.
Es scheint auch nicht das Privileg dieser Branche zu sein, als Musterexemplar für eine Dienstleistungswüste zu dienen. Ähnliches gibt es in einigen anderen Bereichen auch. Womit sich die Frage stellt, wer hat eigentlich von diesen vielgepriesenen Privatisierungen, die doch als Gewinn an Dienstleistung verkauft wurden, einen reellen Vorteil und Nutzen?