Feierstunde zur Wiederaufnahme und Ehrenmitgliedschaft für Felix Löwenstein
Verbrechen und Diskriminierung lassen sich nicht ungeschehen machen. Dies gilt auch für den deutschen Fußball, in dessen Reihen viele Täter daran beteiligt waren, ihre Vereine zwischen 1933 und 1945 zur Stütze der nationalsozialistischen Terrorherrschaft zu machen. Zumindest lässt sich heute aber daraus lernen – und auf symbolischen Wegen ein Zeichen setzen. Als Höhepunkt langjähriger Bemühungen des VfL-Fanbündnisses „Tradition lebt von Erinnerung“ erfolgte nun etwas Ungewöhnliches wie Berührendes: Felix Löwenstein, von Nationalsozialisten 1945 im KZ ermordeter VfL-Funktionär, wurde posthum und im Beisein von Familienangehörigen wieder in die Vereinsfamilie aufgenommen und mit einer Ehrenmitgliedschaft bedacht.
Alles geschah am vergangenen Mittwoch im Rahmen einer Feierstunde in den VIP-Räumen der Bremer Brücke. Felix Löwenstein, Mitgründer, Förderer und Funktionär des VfL in den 20er und 30er Jahren wurde anlässlich seines 140. Geburtstages im August posthum zum Ehrenmitglied des VfL ernannt. Das Besondere: Viele Nachfahren des damals Verfolgten waren, auch über größere Distanzen, zur Ehrung erschienen. Das Bündnis „Tradition lebt von Erinnerung“ erklärte, warum diese Ehrung, einen wichtigen Schritt für den Verein darstellt: „Man kann Unrecht nicht ungeschehen machen – aber man kann es sich eingestehen.“
Mit diesem Satz wies die aktive Fanszene des VfL in diesem Jahr im Rahmen des Aktionsspieltages „Nie wieder!“ auf einen Umstand hin, der für das Bündnis schon lange zum Thema geworden war. Hintergrund: In der NS-Zeit implantierte der VfL wie viele – aber nicht alle Vereine – einen sogenannten Arierparagraphen in seine Satzung. Dieser besagte, dass nur „Deutsche“ oder Personen „artverwandten Blutes“ Mitglieder im VfL sein konnten. Jüdinnen oder Juden zählten ausdrücklich nicht dazu.
Seinerzeit war damit für mindestens ein namentlich bekanntes Mitglied, nämlich Felix Löwenstein, höchstwahrscheinlich aber auch für einige weitere klar, dass ihr Verein, den sie oftmals seit vielen Jahren unterstützt hatten oder in dem sie selbst aktiv gewesen waren, sie nicht mehr in ihrer Mitte haben wollte. „Was das für die Betroffenen bedeutete, mag man sich heute kaum vorstellen“, erläuterte VfL-Fanbeauftragter David Kreutzmann die damalige Situation. „Plötzlich unerwünscht in der schon zu dieser Zeit als Vereinsfamilie bezeichneten Mitgliederschaft zu sein, war dennoch nur der Beginn vieler weiterer Ausgrenzungen und Diffamierungen, die für viele Sportler und Funktionäre wie auch Felix Löwenstein früher oder später mit dem Tod im Konzentrationslager enden sollte.“
Auch ehemalige jüdische Nationalspieler wie Julius Hirsch, in dessen Namen heute ein vom DFB zentral in Frankfurt verliehener Preis für Engagement in Sachen Demokratie und gegen Ausgrenzung, Antisemitismus und Diskriminierung verliehen wird, zählen zu zahllosen Opfern des Nazi-Terrors. Anno 2019 hatte das VfL-Bündnis „Tradition lebt von Erinnerung“ den genannten Preis in Frankfurt ebenfalls verliehen bekommen.
Dr. Hermann Gösmann, damals VfL-„Vereinsführer“ und späterer DFB-Präsident, musste nach dem Krieg einräumen, dass das VfL-Mitglied Felix Löwenstein um 1935 herum „allein aus rassischen Gründen“ aus dem VfL habe „ausscheiden müssen“. Das Problem: Rein formal blieb dieser Ausschluss oder erzwungene Austritt seither offiziell bestehen. Zumindest ist nicht überliefert, dass der VfL Osnabrück seit dem Ende des Unrechtsregimes in irgendeiner Weise offiziell das Unrecht an Felix Löwenstein, ebenso an anderen, jemals einmal anerkannt hätte. Kreutzmann: „Mit der offiziellen Wiederaufnahme sowie der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft ändert sich dies. Der VfL versteht den offiziellen Akt als Symbol, aber auch als Mahnung, sich niemals wieder zum Helfer einer menschenverachtenden Ideologie machen zu lassen sowie als Ansporn, weiterhin die eigene Geschichte mit allen Verwerfungen und Verstrickungen aufzuarbeiten.“
Die Feierstunde, zu der neben Präsidium und Ehrenrat des VfL sowie dem genannten Bündnis viele Angehörige aus der Ur- und Ur-Urenkel-Generation der Familie Löwenstein sowie Kantor Baruch Chauskin als Vertreter der jüdischen Gemeinde Osnabrücks gekommen waren, wurde unter anderem durch einen Kurzvortrag des Autors dieses Artikels zur Lebensgeschichte Felix Löwensteins gestaltet. Auch in Zukunft, so versprechen es die Initiator*innen der Ehrung, werden die Bündnispartner ihre gemeinsame Arbeit zur Erinnerung fortsetzen.
Alle freuen sich hierzu über weitere Unterstützung aus der Anhängerschaft des VfL. Nicht für jeden deutschen Verein, denken wir an rassistische Ausschreitungen und rechtsextremes Gedankengut in manchen heutigen Clubs, ist so etwas selbstverständlich.
Über die Feierstunde hat auch der VfL auf seiner Homepage berichtet: https://www.vfl.de/loewenstein/