Donnerstag, 28. März 2024

Villa im Museumsquartier: Schon mal vom „Hampden-House“ gehört?

Sensation! OR lüftet vergilbte Fundstelle

Mit einem eigenen Namensvorschlag für die Villa im Museumsquartier hat sich die OR-Redaktion immer bewusst zurückgehalten. Inzwischen ist mit großer Mehrheit die Ratsentscheidung gefallen, das Gebäude nicht nach dem vormaligen NS-Beamten Hans Calmeyer zu benennen und stattdessen zukünftig die Wendung „Die Villa_Forum Erinnerungskultur und Zeitgeschichte“ zu nutzen. Das auch von der OR-Redaktion ersehnte Votum schien uns viel zu wichtig, statt irritierte Zeitgenoss*innen mit der unten berichteten Meldung  restlos zu überfordern.


Fund in vergilbter Zeitung

Jetzt rücken wir endlich damit heraus! Aus historischen Gründen hätten wir nämlich noch einen völlig anderen Namen ins Gespräch bringen können. Und zwar den des hochlöblichen britischen Adeligen Sir John Hampden. Wie bitte?

Neues Tageblatt, 10. April 1947

Blicken wir zurück: Die britische Militärregierung unter Gouverneur Geoffrey Day hatte die Villa nach Kriegsende als Standortkommandantur bezogen. Spätestens im April 1947 konnten es die britischen Befreier der Stadt aber nicht länger aushalten, dass die heimische Stadtbevölkerung unverändert vom „Braunen Haus“ sprach, wenn sie den britischen Verwaltungssitz meinte. Am Donnerstag, 10. April 1947, konnten die Lesenden des Neuen Tageblatts dann endlich studieren, was geschehen war. Überschrift: „Braunes Haus wurde ‚Hampden House’“. Originalton der Begründung: „Es wurde zur Erinnerung an einen großen Mann Großbritanniens, der einer der Vorkämpfer für demokratische Regierungsform und Redefreiheit war, umbenannt.“


Wer war John Hampden?

John Hampden (1594-1643) wurde wiederholt ins Unterhaus des englischen Parlaments gewählt. Im Jahre 1636 weigerte er sich, dem königlichen Steuereintreiber das „Schiffsgeld“ zu zahlen, weil diese Steuer vom Unterhaus nicht bestätigt worden war. Der darauffolgende Prozess vor dem obersten Gerichtshof führte zum Anwachsen der Opposition gegen den Absolutismus. 1640 trat Hampden im britischen Parlament an die Spitze der Opposition. Im Englischen Bürgerkrieg (1642–1649) wurde er in einer der Schlachten schwer verletzt und starb daran in der Folgezeit. Hampden zu Ehren wurde eine Stadt in Connecticut, USA, nach ihm benannt, ebenso wie das Hampden-Sydney College im US-Staat Virginia.


Was geschah weiter im Haus?

Noch die britische Verwaltung half tatkräftig dabei mit, dass im benachbarten, behelfsmäßig hergerichteten Kulturgeschichtlichen Museum Ausstellungen und Veranstaltungen organisiert wurden. Bis dahin dürfte die Villa natürlich den britisch initiierten Namen tragen. 1959 wurde das Gebäude allerdings der Stadt übergeben. Es begann ein längerer Umbau. 1963 zog schließlich die naturwissenschaftliche Sammlung vom Kulturgeschichtlichen Museum in die Villa um, die fortan  als eines der Museumsgebäude wahrgenommen wurde und sich bis in die 80er-Jahre hinein mit seinen naturwissenschaftlichen Exponaten präsentierte. Hampden?

Er wurde wohl Opfer der städtischen Vergesslichkeit. Aber dafür gibt es ja die OR.

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