Mittwoch, 24. April 2024

Judith Kessler erinnert an Giovanni Baptist Farina, der sich mit seiner Sippe dazu entschloss, den strengen Gerüchen jener Zeit den Kampf anzusagen

Am 13. Juli 1709 gründet Giovanni Baptist Farina in Köln sein Geschäft „G. B. Farina“. Er ist der ältere Bruder von Giovanni (Johann) Maria Farina, der um 1700 aus dem Piemont nach Köln zugewandert war, wo sein Bruder schon mit „französisch Kram“ handelte – mit Bän­dern, Knöp­fen, Seidenstrümpfen, Gür­teln, Schnallen, Perücken, Puder usw.

Der kleine Bruder gibt mit einem neuartigen „Aqua Mirabilias“ seinen Einstand in der Firma. er weiß aus Italien, wie man (fast) reinen Alkohol aus Wein destilliert, mischt als erster ätherische Öle in diesen Alkohol und bekommt ein Elixier, das leichter ist als alle bisherigen „Wunderwasser“, die auf schweren Moschus- oder Sandelholz-Essenzen basierten (die auch nötig waren, um schlechte Gerüche zu überdecken, solange es an den Höfen en vogue war, sich nicht zu waschen).

Schon 1708 hatte er an seinen Bruder geschrieben: „Ich habe einen Duft entdeckt, der mich an einen Frühlingsmorgen in Italien erinnert, an Bergnarzissen und Orangenblüten kurz nach dem Regen. Er erfrischt mich wunderbar, stärkt meine Sinne und meine Vorstellungskraft.“ Zu Ehren seiner neuen Heimatstadt nennt Johann Maria Farina diesen Duft „Eau de Cologne“.

Anfangs läuft das Geschäft nicht besonders, die „außerständischen“ Farinas sind zwar dank katholischer Herkunft inzwischen eingebürgert, haben aber weiter mit Anfeindungen der einheimischen Zünfte zu kämpfen. und der „italienische Frühlingsmorgen“ ist sehr teuer; ein Fläschchen kann gut das halbe Jahresgehalt eines Beamten kosten. Andererseits ist das „Eau de Cologne“ dank (der weltweit ersten) Manufaktur-Produktion immer von gleichbleibender Zusammensetzung und Qualität. Und Farina preist sein Produkt als me­di­zi­ni­sches Heilmittel an­; jeder Flasche liegt ei­ne Gebrauchsanweisung bei, in der Krankheiten auf­gelistet sind, die mit dem „Köl­nisch Wasser“ kuriert wer­den könn­ten und so findet es allmählich immer mehr Abnehmer.

Als Johann Baptist stirbt, übernimmt Johann Maria al­lei­ne das Geschäft. Er knüpft Handelsbeziehungen zu den europäischen Höfen und bringt es im Laufe der Zeit auf 50 Hoflieferantentitel aus ganz Europa. Erfolg ruft natürlich die Konkurrenz auf den Plan. Ein entfernter Verwandter eröffnet eine Firma „Johann Anton Farina zur Stadt Mailand“ und – Markenschutz gab es ja noch nicht – der Parfümeur kontert, indem er seinem Firmennamen „Johann Maria Farina“ den Zusatz „ge­gen­über dem Jülichs Platz“ verpasst, später nur noch „Farina ge­gen­über“ genannt.

Nachdem der Schöpfer des echten Kölnisch Wasser 1766 gestorben war und während der französischen Besatzung die Zuzugsbeschränkungen aufgehoben wurden und jedermann sich in Köln niederlassen konnte, kupfern andere mit dem (in Italien häufigen) Namen „Farina“ („Mehl“) sein Parfüm weiter ab. Zeitweise gibt es mehr als fünfzig, nicht mit unserem Farina verwandte Produzenten, die Fälschungen seines Parfums vertreiben und auch Omas gruseliges „4711. Echt Kölnisch Wasser“ ist so ein frühes Beispiel für Produktpiraterie.

Interessanterweise wird das „Eau de Cologne“ bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts fast ausschließlich von Männern benutzt. Friedrich Wilhelm eins, Napoleon drei, Mozart, Voltaire, Goethe, Adlige und Priester betupfen sich mit Farinas Eau de Cologne, im Siebenjährigen Krieg die Offiziere der französischen Armee und in England macht es die Stilikone Beau Brummel populär. Während der Weltkriege soll es in Frankreich in „Eau de Pologne“ umbenannt worden sein. Ob das wirklich stimmt, weiß ich nicht. Ich kenne den Begriff nur als ironische Bezeichnung für billiges süßliches Parfum oder als Name eines Wodkas.

Judith Kessler
Judith Kessler
Judith Kessler ist Sozialwissenschaftlerin, Redakteurin und Autorin mit den Schwerpunkten jüdische Migration, Gegenwartskultur und Biografieforschung.
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